- Joseph
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Joseph[hebräisch, eigentlich »Er (Gott) möge (die Kinder Jakobs) vermehren«], biblischer Patriarch, Sohn Jakobs und der Rahel (1. Mose 30, 24); Hauptgestalt der biblischen Josephsgeschichte (1. Mose 37-50). In ihr wird erzählt, dass Joseph, von seinen Brüdern an ismaelitische Händler verkauft oder von midianitischen Händlern mitgenommen, als Sklave in das Haus Potiphars, eines hohen ägyptischen Staatsbeamten, kam und dort zum Verwalter aufstieg. Unter dem Verdacht des Ehebruchs mit der Frau Potiphars wurde er eingekerkert und betätigte sich im Gefängnis als Traumdeuter. Dem Pharao deutete er dessen Träume von sieben fetten und sieben mageren Kühen, sieben dicken und sieben dünnen Ähren auf je sieben bevorstehende fruchtbare und unfruchtbare Jahre. Joseph wurde zum Wesir ernannt, sorgte durch Errichtung von königlichen Vorratshäusern für Nahrung in den Hungerjahren und verstärkte dadurch die Abhängigkeit der Großgrundbesitzer von der Krone. Seinem Vater und seinen elf Brüdern räumte er das Land Gosen als Aufenthaltsort ein. Jakob gewährte Josephs Söhnen Manasse und Ephraim gleiches Erbrecht wie seinen eigenen Söhnen.Die aus verschiedenen Quellen kunstvoll komponierte Josephsgeschichte stammt aus der Königszeit. Obwohl Joseph als legendärer Ahnherr des israelitischen Stammes Joseph und seiner Untergruppen Manasse und Ephraim zu gelten hat, ist ein möglicher geschichtlicher und stammesgeschichtlicher Hintergrund der Erzählung unwahrscheinlich. Literarisch handelt es sich um eine weisheitlich geprägte Führungs- und Beispielgeschichte: Wie Jahwe den exemplarischen Weisen durch Anfechtung und Leid aus kleinen Verhältnissen zu Macht, Reichtum und Ehre führt.In der bildenden Kunst wird die Lebensgeschichte Josephs oft mit der seines Vaters Jakob verknüpft und schon in der Frühzeit der christlichen Kunst in vielen markanten Stationen dargestellt, u. a. in der Wiener Genesis (6. Jahrhundert; Wien, Österreichische Nationalbibliothek) und auf der Cathedra des Bischofs Maximian von Ravenna (um 550; Ravenna, Museo Arcivescovile). Die frühesten erhaltenen Darstellungen finden sich in der 245 n. Chr. geweihten Synagoge in Dura-Europos; sie zeigen zwei Segnungen Josephs durch Jakob. In mittelalterlichen Beispielen gilt Joseph häufig als Präfiguration von Jesus Christus. Szenen aus der Josephsgeschichte malten u. a. auch Raffael, Tizian, Tintoretto, B. E. Murillo und Tiepolo.Literarische Behandlung:Um Joseph bildeten sich schon früh jüdische, islamische und christliche Legenden. Die islamische Tradition rückte Joseph und seine Verführerin als Liebespaar in den Mittelpunkt (12. Sure des Koran, danach »Jusuf und Suleika« von Djami, 15. Jahrhundert), die frühchristliche Legende idealisierte Josephs spätere Frau Aseneth. Für das Drama des 16. und zum Teil noch des 17. Jahrhunderts war die Tugendprobe von Interesse (G. Macropedius, 1544; T. Gart, 1540; N. Frischlin, 1590; J. van den Vondel, 1640). Der Schwerpunkt des barocken Interesses lag auf der heroisch-galanten Thematik und dem Aufstieg Josephs als Staatsmann (J. Bidermann, 1615; H. J. C. von Grimmelshausen »Des vortrefflichen keuschen Josephs in Egypten erbauliche. .. Lebensbeschreibung«, 1666; P. von Zesen »Assenat«, 1670). Nicht mehr heroisch, sondern empfindsam ist Joseph in Schäfergedichten des 18. Jahrhunderts dargestellt (J. J. Bodmer »Joseph und Zulika«, 1735). Unter den neueren Thematisierungen wird in der »Josephslegende« (H. von Hofmannsthal und H. Graf Kessler, Musik von R. Strauss, 1914) die Handlung durch das Verführungsthema bestimmt, während T. Manns Romantetralogie »Joseph und seine Brüder« (1933-43) Joseph eine religions- und kulturgeschichtliche Mittlerrolle zuweist.H. Priebatsch: Die J.-Geschichte in der Weltlit. (1937);H. Seebass: Geschichtl. Zeit u. theonome Tradition in der J.-Erzählung (1978);Hans-Christoph Schmitt: Die nichtpriesterl. J.-Geschichte (1980);K. Hamburger: Thomas Manns bibl. Werk (1981);E. Heftrich: Über Thomas Mann, Bd. 3: Geträumte Taten. »J. u. seine Brüder« (1993);Joseph,der Mann Marias, der Mutter Jesu. In den Kindheitsgeschichten erscheint er als Nachfahre Davids und wegen der Jungfrauengeburt nur als Pflegevater Jesu; an anderen Stellen des Neuen Testaments gilt er als sein natürlicher Vater (Evangelium des Johannes 1, 45; 6, 42). Zweimal wird der Vater Jesu ohne Namen, nur als »der Zimmermann« eingeführt (Matthäus 13, 55; Markus 6, 3, mit unsicherem Text). Nach Matthäus 2, 1. 22-23 wohnte Joseph in Bethlehem und zog erst wegen der Nachstellungen gegen Jesus nach Nazareth; nach der älteren Auffassung gehört Jesu Familie nach Nazareth und ist Jesus dort geboren. - Die kirchliche Verehrung Josephs ist im Orient seit dem 7. Jahrhundert, im Abendland seit dem 9. Jahrhundert nachweisbar. - Heiliger (Tag: 19. 3., u. a. »Fiesta de las Fallas« in Valencia [Feuer]; als Patron der Arbeiter seit 1955 auch am 1. 5. verehrt).In der bildenden Kunst wird Joseph bis in die Zeit des Barock im Zusammenhang mit Ereignissen aus dem Leben Jesu dargestellt (z. B. Geburt Christi, Flucht nach Ägypten). Genrebilder der Heiligen Familie zeigen ihn als Zimmermann bei der Arbeit (R. Campin, A. Dürer). In den Darstellungen seines Todes wird er dann zum Mittelpunkt des Bildes (Correggio, G. Reni). Seit dem Barock entstanden auch plastische oder gemalte Verehrungsbilder (meist als Pendant zu einer Madonna), bei denen Joseph oft das Jesuskind auf dem Arm trägt und eine Lilie in der Hand hält.Joseph,Herrscher:Heiliges Röm. Reich:1) Joseph I., Kaiser (seit 1705), * Wien 26. 7. 1678, ✝ ebenda 17. 4. 1711, ältester Sohn Kaiser Leopolds I.; 1690 zum römisch-deutschen König gewählt, setzte er als Nachfolger seines Vaters mithilfe des Prinzen Eugen von Savoyen-Carignan den Spanischen Erbfolgekrieg fort, verhinderte mit der Konvention von Altranstädt (1. 9. 1707 den Kriegseintritt Schwedens aufseiten Frankreichs und suchte im Reich wie in Italien die kaiserliche Autorität wieder stärker zur Geltung zu bringen: 1706 Reichsacht gegen die mit Frankreich verbündeten Kurfürsten von Köln und Bayern, 1708 Wiedereinführung der böhmischen Kur, militärische Erfolge in Italien, u. a. Unterwerfung Mailands, Eroberung Neapels, Besetzung von Teilen des Kirchenstaats. Der Aufstand Franz' II. Rákóczi in Ungarn (Siebenbürgen) konnte erst nach Josephs Tod endgültig beendet werden.C. W. Ingrao: J. I. Der vergessene Kaiser (a. d. Engl., Graz 1982).2) Joseph II., Kaiser (seit 1765), * Wien 13. 3. 1741, ✝ ebenda 20. 2. 1790, ältester Sohn Kaiser Franz' I. und Maria Theresias; wurde 1764 zum römisch-deutschen König gewählt und 1765 von seiner Mutter als Mitregent in den habsburgischen Erblanden angenommen, wo sie ihm nur bei der Reform des Heerwesens freie Hand ließ. In der auswärtigen Politik geriet er oft in Gegensatz zu ihr, z. B. als er 1772 die Teilnahme Österreichs an der ersten Teilung Polens durchsetzte (Gewinn Galiziens); die Türken bewog er 1775 zur Abtretung der Bukowina. Joseph suchte eine Verständigung mit König Friedrich II., dem Großen, von Preußen (zwei persönliche Begegnungen). Sein Plan einer Erwerbung Bayerns scheiterte aber ebenso an jenem (Bayerischer Erbfolgekrieg 1778/79) wie ein groß angelegtes Projekt eines Austausches Bayerns und Salzburgs gegen die Österreichischen Niederlande; Joseph konnte lediglich das Innviertel gewinnen. Ein weiterer Versuch stieß 1785 auf entschiedenen Widerstand der meisten Reichsfürsten (Deutscher Fürstenbund). Durch den Tod seiner Mutter wurde Joseph 1780 Alleinherrscher in den habsburgischen Erblanden. Seit dem Teschener Frieden von 1779 mit Brandenburg-Preußen verfeindet, näherte er sich der russischen Kaiserin Katharina II. und schloss 1781 ein Verteidigungsbündnis mit ihr, aufgrund dessen er 1788 in einen Türkenkrieg hineingezogen wurde, in dem die Österreicher Belgrad eroberten (8. 10. 1789.Joseph, einer der Hauptvertreter des »aufgeklärten Absolutismus«, unterzog sein Land umfassenden innenpolitischen Reformen (Recht, Verwaltung, Wirtschaft, Sozialwesen). Sein Ziel war ein zentralistisch verwalteter Staat mit deutscher Staatssprache, gestützt auf Heer und Beamtenschaft; eine Sonderstellung der Einzelländer seiner Monarchie wollte er nicht zugestehen. In Galizien und der Bukowina, in Ungarn und Siebenbürgen gründete er zahlreiche deutsche Ansiedlungen. Zur Fortsetzung der Bauernbefreiung wurde 1781 die Leibeigenschaft der Bauern aufgehoben und den nichtkatholischen christlichen Konfessionen Duldung zugesichert (Toleranzpatent); eine allgemeine Grundsteuer - auch für den Adel - wurde eingeführt. In seiner merkantilistischen Wirtschaftspolitik förderte er mit hohen Schutzzöllen Industrie und Handel. Schulen, Kranken- und Blindenhäuser wurden gebaut, die Zensur gemildert, die Folter abgeschafft (Josephinisches Gesetzbuch). Besonders einschneidend waren die Reformen, die das Verhältnis Staat-Kirche betrafen (Josephinismus). Gegen seine antiständische und antiföderalistische Reformpolitik regte sich wachsender Widerstand, zuerst im Adel und in der Geistlichkeit. Nationale Erhebungen in Ungarn (1788-90) und in den österreichischen Niederlanden (1787) zwangen ihn kurz vor seinem Tod, die meisten seiner Reformen für diese Länder wieder aufzuheben.L. Mikoletzky: Kaiser J. II. Herrscher zw. den Zeiten (1979);Österreich zur Zeit Kaiser J.s II., bearb. v. K. Gutkas u. a., Ausst.-Kat. (31980);K. Gutkas: Kaiser J. II. (Wien 1989).Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:Preußen wird Großmacht: Der preußisch-österreichische Dualismus im 18. JahrhundertKöln:3) Joseph Clemens, Kurfürst und Erzbischof (seit 1688), Herzog von Bayern, Bischof von Freising (seit 1684), Regensburg (seit 1685) und Lüttich (seit 1694), Propst von Berchtesgaden (seit 1684), Koadjutor von Hildesheim (seit 1694), * München 5. 12. 1671, ✝ Bonn 12. 11. 1723. Während des Spanischen Erbfolgekrieges stand Joseph Clemens aufseiten Ludwigs XIV., musste 1706, vom Kaiser geächtet, nach Frankreich fliehen, wurde aber durch den Badener Frieden (1714) wieder in seine Länder eingesetzt. Als Territorialherr lag er, die Residenzstadt Bonn ausbauend, im Streit mit dem Kölner Domkapitel und den kurkölnischen Ständen.A. Winterling: Der Hof der Kurfürsten von Köln: 1688-1794 (1986).Sachsen-Hildburghausen:5) Joseph Friedrich, Prinz, kaiserlicher Feldmarschall (seit 1741), Regent (1780-84), * Erbach (im Odenwald) 8. 10. 1702, ✝ Hildburghausen 14. 1. 1787; nahm am Polnischen Thronfolgekrieg (1733-35) und am Türkenkrieg (1737-39) teil; 1744-49 war er Kommandierender General an der Militärgrenze. Seine organisatorische Neuordnung der dortigen Verwaltungsstrukturen hatte bis 1871 Bestand. Im Siebenjährigen Krieg führte er als Reichsgeneralfeldzeugmeister die Reichsarmee, die bei Roßbach (5. 11. 1757 von König Friedrich II., dem Großen, von Preußen geschlagen wurde. Im Januar 1758 zog er sich aus dem Militärdienst zurück, ohne seine Reformpläne des Reichsheerwesens entscheidend vorangebracht zu haben, wurde aber 1785 noch Reichsgeneralfeldmarschall. Er lebte als Mäzen in Wien; 1780-84 führte er als Obervormund seines Urgroßneffen die Regentschaft in Sachsen-Hildburghausen.6) Joseph, Joseph Bonaparte [- bɔna'part], König von Neapel (1806-08) und von Spanien (1808-13), * Corte 7. 1. 1768, ✝ Florenz 28. 7. 1844, ältester Bruder Napoleons I.; ursprünglich Advokat, Offizier. In der Zeit der Republik war er u. a. Gesandter in Parma und Rom. Nach der Errichtung des napoleonischen Kaisertums (1804) wurde er kaiserlicher Prinz. Anstelle der entthronten Bourbonen erhielt er 1806 das Königreich Neapel und wurde durch Befehl Napoleons 1808 als König von Spanien eingesetzt, worauf hier sofort ein großer Volksaufstand ausbrach (Napoleonische Kriege). Joseph selbst war bei allem Pflichteifer und allen guten Absichten dieser schwierigen Lage nicht gewachsen und überdies von Napoleon und den französischen Generalen abhängig. Nach der Niederlage bei Vitoria (bei Bilbao, 1813) musste er Spanien verlassen. 1815 siedelte er sich als Graf von Survilliers in den USA an und lebte seit 1841 in Florenz.M. Ross: The reluctant king. J. Bonaparte, king of the two Sicilies and Spain (London 1976);C. de Tourtier-Bonazzi: Archives de J. Bonaparte (Paris 1982).
Universal-Lexikon. 2012.